Tanzsportverein Böhlitz-Ehrenberg e.V.

 

Der tanzende Schmied

 

Ursula und Werner Pinkwart schweben seit 50 Jahren Seite an Seite über das Parkett

 

Ursula und Werner Pinkwart feiern in diesem Jahr ein ganz besonderes Jubiläum. Seit 50 Jahren verbindet sie die Liebe zum Tanzen. Gemeinsam legen sie seit 1962 eine flotte Sohle aufs Parkett - egal ob Standard oder Lateinamerikanisch. Sie nahmen regelmäßig an Turnieren teil, erreichten dabei die höchste Tanzklasse, organisierten internationale Tanzveranstaltungen und leiten seit den siebziger Jahren junge Paare an. "Tanzen macht nicht nur Spaß, es ist auch gesund", erklärt Ursula. "Es ist ein Ausgleich zum stressigen Alltag", fügt Werner hinzu. Doch vor allem findet sich im Tanzen eine Gemeinschaft, die es so nicht noch einmal gebe.
Wir schreiben das Jahr 1962. Es ist Tanzstundenzeit. In diesem Jahr sehen sich Ursula Henning und Werner Pinkwart das erste Mal. "Ich war 19 Jahre jung und bin mit meiner Freundin zur Tanzstunde gegangen", erinnert sich Ursula zurück. Werner ist schon etwas erfahrener, kommt als 22-Jähriger und als "Aushilfe", weil zu wenig Männer in diesem Kurs sind. "Die erste Woche hatte er mich nicht angeguckt", meint Ursula. Beim Auffordern sei er wählerisch gewesen, habe sich die Mädels genommen, die seiner Meinung nach gut tanzen konnten. "Als Tänzer hat man ja bekanntlich eine gerade Haltung. Mit gestrecktem Oberkörper blickte er über die anwesenden Mädels hinweg und ich fand ihn ganz schön eingebildet", erzählt Ursula schmunzelnd und streichelt zeitgleich Werners Hand.
Zum Abschlussball haben sie dann doch zusammengefunden. "Na sie hatte ja keinen Partner", erklärt Werner. "Also hast du mich genommen. Danke", antwortet Ursula fast brüskiert. Und dann kommt sie ins Schwärmen: "Am Abschlussballabend stand er mit Blumen vor der Tür meiner Eltern und hat mich abgeholt. Wie im Film." Es wird ein wunderschöner Abend. Sie beschließen zusammenzubleiben und gemeinsam dem Tanzen und sich treu zu sein. Also treten die beiden in den Tanzkreis am Kabinett für Kulturarbeit ein und bereits im November 1963 bestreiten sie ihr erstes Turnier in Jena - Platz vier am Ende. Ihr gestecktes Ziel: die Sonderklasse, die höchste im Tanzsport, erreichen. Dafür wird hart und regelmäßig trainiert. Sie tanzen sich die folgenden zehn Jahre von der Klasse D bis A und schließlich am 11. November 1973 in die Sonderklasse. Während dieser zehn Jahre zieht sich Werner Pinkwart einen Spitznamen zu: "Ich bin gelernter Elektriker gewesen. Habe zum Schmied umgesattelt, weil die Schmiede von Ursulas Vater einen Mann brauchte." Seitdem wird er der tanzende Schmied genannt.
Nach Erreichen ihres Zieles könnte man annehmen, gibt es nichts mehr, was sie weiter erlangen können. Doch weit gefehlt: "Von nun an ging es ums Siegen oder gute Platzierungen, um Teilnahmen an Deutschen Meisterschaften und Einladungen zu Internationalen Turnieren", so Werner. Mit letzteren haben beide mehr als gute Erfahrungen gemacht. "Das war immer etwas Besonderes. In Polen zum Beispiel haben wir in einem Kuppelsaal getanzt vor 40000 Zuschauern. Ein wahnsinniges Gefühl", blickt Ursula zurück. Und Werner erinnert sich an Ungarn: "Einmal im Juni war es so warm. In dem Kultursaal waren keine Fenster, damit die Wärme nicht hineinkam, aber sie war trotzdem drin. Dort gab es zur Begrüßung Wein - da können sie sich vorstellen, wie die Füße danach waren." Auch in Leipzig, Zeitz oder Altenburg werden Internationale Turniere ausgerichtet. Bei jedem Mal, so Werner, sei es ein Erlebnis gewesen, inklusive kultureller Stadtrundfahrt oder Besichtigungen. "Vor allem die Gemeinschaft, die sich entwickelte, war echt toll. Ja sie war sogar ein zweiter Höhepunkt", beschreibt Ursula. Nach den Tanzturnieren gibt es immer ein Bankett, "alle unterhielten sich, lernten sich kennen. Wir waren wie eine große Familie." Heute sei das nicht mehr so. "Heute ist Tanzen ein Sport, wo nur Siege und Erfolge zählen. Früher gehörte Tanzen zur Kultur", erklärt Werner. "Was wir in unseren 50 Jahren erlebt haben, ist einmalig. Wir könnten Geschichten erzählen - zum Lachen und zum Weinen. Ja, wir könnten eigentlich ein Buch schreiben", meint Ursula.
Wenn sich Ursula alte Bilder ansieht, weiß sie sofort, in welchem Jahr sie aufgenommen wurden. "Anhand der Kleider kann ich es." Insgesamt 20 habe sie getragen und jedes einzelne sei ein Traum gewesen. Dennoch entschließen sie sich 1984, mit dem Tanzen aufzuhören. "340 Turniere haben wir bestritten, das tat dann schon weh", weiß Ursula noch. Der Grund lag daran, dass in der DDR die Leistung der Jugend vorwärts gebracht werden sollte und die der Älteren - ab 40 Jahre - eben nicht mehr. Aber sie geben das Tanzen nicht ganz auf. Bereits in den siebziger Jahren absolvieren sie ihre Übungsleiter-Lizenzen und geben fortan Unterricht - seit fünf Jahren im Tanzsportverein (TSV) Böhlitz-Ehrenberg: Wöchentlich insgesamt acht Gruppen mit neun bis zwölf Paaren sowie Kinder und Jugendliche. "Donnerstag ist unser freier Tag", lacht Ursula. Werner ist zudem seit 1968 Wertungsrichter. "Ich bin der, der die Zahlen hochhält." Bis zu den Sonderklassen darf er bewerten, ist zwei Jahre lang auch im so genannten bundesweiten Topf für die Deutschen Meisterschaften dabei. "Von früh bis spät wurde gewertet. Da will man abends keine Musik mehr hören", so Werner. Insgesamt seien es 862 Turniere, die er bewertet hat. "Schwerstarbeit, aber auch schön."
Der TSV feiert in diesem Jahr sein fünfjähriges Bestehen. 39 Mitglieder haben sich 2007 dafür entschieden, unter dem TSV Böhlitz-Ehrenberg zu firmieren. "Zu unserem Glück konnten wir die Pinkwarts als Übungsleiter gewinnen", freut sich Hans-Jürgen Held, Vorsitzender des Vereins. Die derzeit 150 Mitglieder haben in der Ludwig-Hupfeld-Straße 16-18 eine Trainingsstätte gefunden. "Wir wollen hier Jungen und Älteren das Tanzen mit Spaß und Freude beibringen", erklärt Held. Zudem werden Paare so gefördert, dass sie an Turnieren teilnehmen können. Wichtig finden die Pinkwarts auch die sportliche Seite des Tanzens, denn Bewegung sei für Jung und Alt wichtig. "Teilweise wird Tanzen sogar als Therapieform angewandt", weiß Ursula. Stolz sind sie darauf, dass es der Verein zum dritten Mal in Folge geschafft hat, die meisten Paare in Sachsen für das Deutsche Tanzabzeichen gewonnen zu haben. "Nun haben wir als Anerkennung einen extra Pokal in der Vitrine stehen", freut sich Werner. 
Quelle: Nannette Hoffmann
@www.tanzsport-boehlitz-ehrenberg.de 

Werner und Ursula Pinkwart bilden seit 50 Jahren eine Einheit - tänzerisch und privat. Auf ihr Jubiläum sind sie stolz. Quelle: Foto/Repros: André Kempner 

Werner und Ursula Pinkwart führen 1973 den Standardtanz Langsamer Walzer vor. Mit Schwung geht es durch den Saal. 

1973 zeigen Werner und Ursula Pinkwart den lateinamerikanischen Tanz Rumba. Die besondere Charakteristik: das Spiel zwischen Mann und Frau.
 


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